Bisexualität

Sensitivity Reading zum Thema Bisexualität

In der westlichen Kultur ist Homosexualität inzwischen einigermaßen anerkannt. Bisexualität wird hingegen weniger beachtet und bisexuelle Menschen sind in der Öffentlichkeit kaum wahrzunehmen, obwohl sie die größte queere Gruppe ausmachen.

In Deutschland ordnen sich 21 % aller Erwachsenen im bisexuellen Spektrum der Kinsey-Skala ein. Unter den jungen Leuten von 18 bis 24 Jahren sind es sogar 39 %. Dies ist keine kleine Minderheit, sondern eine statistisch signifikante Gruppe, die aber in der Öffentlichkeit selten in Erscheinung tritt.

Nicht alle Befragten aus der genannten Statistik definieren sich selbst als bisexuell. Viele empfinden zwar eine Anziehung gegenüber dem eigenen und dem anderen Geschlecht, vermeiden jedoch das Label der Bisexualität. Meine Vermutung ist, dass sie die in unserer Gesellschaft verbreitete Homo- und Biphobie verinnerlicht haben und daher nicht offen zu ihrem Begehren stehen.

queeres Paar

Manche Menschen bezeichnen sich als pansexuell. Dieser Begriff betont, dass eine Person sich zu allen Geschlechtern hingezogen fühlt. Andererseits verstehen viele Personen, die sich bisexuell nennen, auch diesen Begriff als Anziehung gegenüber allen Geschlechtern.

Über bisexuelle Menschen gibt es viele Klischees. So können Bisexuelle angeblich nicht treu sein. Andererseits werden sie entweder als hetero- oder homosexuell angesehen, je nachdem, ob sie gerade mit einem Mann oder mit einer Frau in einer Partnerschaft sind. Dadurch wird ein Teil ihrer Identität unsichtbar.

Bisexualität wird als stark sexuell aufgeladen betrachtet. Bisexuelle Frauen sind angeblich leicht zu haben und entsprechen den Fantasien vieler heterosexueller Männer. Sie haben noch mehr unter sexualisierten Übergriffen zu leiden als heterosexuelle Frauen. Bisexuelle Männer sind stark mit Homophobie konfrontiert, auch mit ihrer eigenen, die sie verinnerlicht haben.

Als bisexueller trans Mann habe ich bereits Beziehungen mit Männern und Frauen geführt. Ich fühle mich zu einzelnen Personen unabhängig von ihrem Geschlecht hingezogen. Die Erwartung, dass alle Menschen selbstverständlich heterosexuell sein sollen, erscheint mir vor dem Hintergrund meiner Transition seltsam.

Vor meiner Transition wurde von mir erwartet, dass ich mit einem Mann zusammen bin, nun jedoch, dass ich eine Partnerschaft mit einer Frau führe. Wenn ich von den Beziehungen vor meiner Transition erzähle (und nicht als trans geoutet bin), gelte ich als schwul. Diese Labels und Erwartungen entsprechen nur zu einem Teil meiner Lebensrealität – die jeweils andere Hälfte bleibt unsichtbar.

Durch Sensitivity Reading möchte ich dazu beitragen, dass Bisexuelle so dargestellt werden, wie sie wirklich sind, nämlich als Individuen mit ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen. Ich wünsche mir, dass die Vorurteile, die in unserer Gesellschaft gegenüber Bisexuellen herrschen, nach und nach abgebaut werden.